Für eine Wirtschaft mit Zukunft – warum Unternehmen mit Fokus auf das Gemeinwohl attraktive Arbeitgeber sind

Michael Weber und Nicola Bannier betreiben in Hitzacker gemeinsam die zimmerwerkstatt für Möbel und Textilien. Beide engagieren sich seit mittlerweile zehn Jahren intensiv für die Gemeinwohl-Ökonomie und sind in der Regionalgruppe Wendland aktiv. Bei unserem Besuch in ihrem Unternehmen haben sie uns mehr über das Modell der Gemeinwohl-Ökonomie, ihre Begeisterung dafür und die Verbreitung in der Region erzählt.

Die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie ist ein Wirtschaftssystem, das auf Werten aufgebaut ist, die dem Gemeinwohl dienen. Anstelle von Gewinn, Wachstum und Konkurrenz soll wirtschaftliches Handeln an ethischen Grundsätzen wie Kooperation und Vertrauen ausgerichtet werden. Dieses Konzept begeisterte Michael Weber und seine Frau Nicola Bannier, die auf der Suche nach einem zukunftsfähigen Wirtschaftsmodell 2012 die Gemeinwohl-Ökonomie kennengelernt und die Regionalgruppe Hamburg mitgegründet haben.  

Die Gemeinwohl-Ökonomie entspricht Webers und Banniers eigener Lebensphilosophie und ihren unternehmerischen Prinzipien: „Ich bin überzeugt, dass die Orientierung der Wirtschaft an Werten, die für das menschliche Miteinander wesentlich sind, die Art und Weise des Wirtschaftens grundlegend verändern würde. Es würde ein grundlegender kultureller Wandel im Wirtschaftsleben entstehen, der auch den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt und uns zudem vor den schlimmsten Auswirkungen drohender bzw. bereits stattfindender Katastrophen bewahren kann“, so Michael Weber.

Der Wunsch nach einer sinnhaften Arbeit

Bevor sich der gelernte Tischler mit seinem zunächst in Hamburg ansässigen Handwerksbetrieb auf Möbelbau und Reparaturen spezialisierte, war er als Kulissenbauer z.B. für Kataloge und Zeitschriften wie „Schöner Wohnen“ tätig. Doch mit der Zeit stellte er diese Aufgabe in Frage: „Es hat mich zunehmend gestört, wie viel – teilweise auch sehr wertvolles – Material jeden Tag nach den Fotoshootings einfach wieder vernichtet wird. Mir fehlten der Sinn und die Nachhaltigkeit der Arbeit.“ So stellte er im Jahr 2009 sein Angebot um. Nicola Bannier, Schneiderin und textile Raumgestalterin, eröffnete 2012 in der zimmerwerkstatt ihr Textil-Atelier mit Schwerpunkt auf Raumtextilien. 2018 zogen sie ins Wendland um. In ihrer Werkstatt beschäftigen sich die beiden neben der Neuanfertigung mit dem Erhalt und der Aufwertung alter Gegenstände und Materialien und deren Geschichte. „Alte Stoffe, die eine Geschichte haben, inspirieren mich besonders, daraus etwas Neues zu schaffen, für das meine Kund:innen neue Verwendung finden“, sagt Nicola Bannier.

Nicola Bannier und Michael Weber in ihrer Werkstatt

Nicola Bannier und Michael Weber leben die Prinzipien der Gemeinwohlökonomie in ihrer täglichen Arbeit: Beispielsweise hinterfragen sie ihre Lieferketten, wählen nachhaltige Materialien aus, arbeiten mit einer ethischen Bank zusammen und verändern ihr eigenes ökologisches Verhalten in Bereichen wie Ernährung, Gesundheit, Mobilität, Energieverbrauch und CO2-Ausstoß. 2014 erstellten sie eine Gemeinwohl-Bilanz für die zimmerwerkstatt. Die Gemeinwohl-Bilanz ist ein wichtiges Instrument der Gemeinwohl-Ökonomie. Damit können Unternehmen, aber auch Privatpersonen, Institutionen oder Gemeinden prüfen, inwieweit sie u.a. hinsichtlich sozialer und ökologischer Aspekte dem Gemeinwohl dienen.

Gemeinwohlorientierte Unternehmen als attraktive Arbeitgeber

Für Mitarbeiter:innen von Unternehmen, die sich für die Gemeinwohl-Ökonomie engagieren, bringt dies viele Vorteile mit sich, wie Weber deutlich macht: Da diese Betriebe sich stärker als viele andere um das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten bemühen, lasse sich ein überdurchschnittlich gutes und wertschätzendes Arbeitsklima erwarten. Es bestehen oft flachere hierarchische Strukturen, größere Möglichkeiten zur Eigenverantwortlichkeit sowie mehr Transparenz und Mitbestimmungsmöglichkeiten. Mitarbeitende können in Prozesse eingebunden werden, so auch andere Bereiche kennenlernen und Verantwortung übernehmen. Darüber hinaus profitieren sie von einer besseren Gesundheitsvorsorge, Fortbildungsmöglichkeiten, einer Förderung des ökologischen Bewusstseins und einem stärkeren Zusammenhalt. Aufgrund des geringeren Wachstumsdrucks herrscht insgesamt eine entspanntere Atmosphäre und das Unternehmen hat mehr Zeit, sich wirklich um seine Mitarbeiter:innen zu kümmern und gesunde Arbeitsprozesse zu entwickeln. Gemeinwohl-orientierte Unternehmen sind außerdem sehr nachhaltig ausgerichtet und damit oft resilienter aufgestellt als andere Unternehmen.

Für Fachkräfte sind Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit heute immer wichtigere Kriterien bei Bewerbungen, sodass die Gemeinwohl-Ökonomie die Attraktivität von Unternehmen als Arbeitgeber steigern kann.

Gemeinwohl-Ökonomie in Lüchow-Dannenberg

Michael Weber und Nicola Bannier möchten die Gemeinwohl-Ökonomie im Landkreis Lüchow-Dannenberg bekannter machen und die Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise in der Region anstoßen. Nach einen Vortrag von Christian Felber, dem österreichischen Mitbegründer der Gemeinwohl-Ökonomie, bei der Firma Voelkel entstand bei den Besucher:innen Interesse an einer Regionalgruppe im Wendland. Gemeinsam mit Jannis Meseke von der Firma Voelkel wurde die Gründung vorangetrieben. Weber engagiert sich im Koordinationsteam der seit 2020 bestehenden Regionalgruppe.                                                                                                                                         

Die Gruppe versteht sich als Impulsgeber, organisiert Informationsveranstaltungen, spricht Unternehmen gezielt auf eine gemeinwohlorientierte Wirtschaftsweise an und hilft bei der Umsetzung, z.B. auch der Erstellung einer eigenen Gemeinwohl-Bilanz. Aktuell sind bereits neun Unternehmen aus dem Landkreis dabei. Um das Modell als Grundlage für politische Entscheidungen zu verankern, ist die Regionalgruppe auch mit Landrätin Dagmar Schulz im Gespräch.

Für die Zukunft wünschen sich Nicola Bannier und Michael Weber ein weiter wachsendes Interesse an einer wertebasierten, ethischen Marktwirtschaft und dass der Landkreis Lüchow-Dannenberg zu einer Modellregion für Gemeinwohl-Ökonomie wird. Für sie steht fest: „Die Gemeinwohl-Ökonomie stärkt regionale Wirtschaftsstrukturen und trägt zu einem guten Leben für alle Menschen bei.“

Die Regionalgruppe freut sich über alle Interessierten, die Mitglied werden oder aktiv mitarbeiten wollen! Mehr Informationen zur Gemeinwohl-Ökonomie Wendland findet ihr hier.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen