Vielleicht kennen Sie das selbst: Egal, wie zufrieden Sie
mit dem sind, was Ihr Unternehmen Ihnen als „Bindungs-Paket“ aus Vergütung,
Benefits, Flexibilität und Teambuildingmaßnahmen anbietet, eins bleibt gleich:
Sie wissen, dass gerade eine Bindung entstehen soll. Man bietet Ihnen etwas an,
dafür erwartet man von Ihnen eine gewisse Bereitschaft, einigermaßen
wohlwollend an Ihrem Arbeitsplatz festzuhalten. Das kann sich für
Arbeitnehmende trotz aller positiven Effekte vor allem nach einer strategischen
Maßnahme anfühlen; gelungene emotionale Bindung sieht anders aus.
Klassische Methoden der Mitarbeitendenbindung setzen oft auf finanzielle Anreize wie Boni oder Gehaltserhöhungen, betriebliche Zusatzleistungen wie Firmenwagen oder Sportangebote sowie Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Auch Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmenskultur wie eine offene Kommunikation, Wertschätzung und eine ausgewogene Work-Life-Balance spielen eine zentrale Rolle. Doch diese guten Ansätze stoßen an Grenzen: Finanzielle Anreize allein führen oft nur zu kurzfristiger Motivation, während ein dauerhaft positives Arbeitsumfeld tiefere kulturelle Veränderungen erfordert. Zudem greifen allgemeine Benefits nicht immer die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden auf. Unternehmen müssen daher über klassische Methoden hinausdenken und gezielt auf die Erwartungen und Werte ihrer Belegschaft eingehen, um eine nachhaltige Bindung und Zufriedenheit zu schaffen. Leider ist Zufriedenheit häufig kein Dauerzustand, weil sich Ansprüche, Bedürfnisse und Wünsche individuell und zeitlich regelmäßig ändern.
Was also tun? In Sachen Mitarbeitendengewinnung und -bindung gilt die Faustregel, die richtige Maßnahme für die richtige Generation zu finden – und flexibel zu bleiben. Was vor zehn Jahren ganz oben in der Prioritätenliste der Beschäftigten rangierte, muss heute längst nicht mehr das Maß der Dinge sein. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass in Unternehmen in der Regel mehrere Generationen zusammenarbeiten, die gleichzeitig an ganz unterschiedlichen Punkten ihres Arbeitslebenszyklus stehen und daher ebenso unterschiedliche Bindungsmaßnahmen erfordern. Gut, dass es neben anderen wichtigen Maßnahmen zumindest eine Universalwährung gibt, mit der man verlässlich jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter abholt.

Nein, kein Geld: Vertrauen. Unabhängig von Alter, Geschlecht und Charakter, wir alle haben gern das Gefühl, dass man uns vertraut und uns vieles zutraut. Ebenso arbeiten wir alle gern eigenständig und erleben uns als selbstwirksam, indem wir uns in gewissem Rahmen selbst verwalten, begrenzen oder eben nicht begrenzen. Vertrauen ist kostenlos und beliebig oft reproduzierbar, es nutzt sich nicht ab und spricht vom Azubi bis zum CEO wirklich jede(n) an. Das bedeutet: Gerade dort, wo unser arbeitgebendes Unternehmen mal nichts konstruiert, ansprechend verpackt und uns formvollendet präsentiert, passiert die nachhaltigste Bindung von allen – leider auch diejenige, mit der sich Unternehmen häufig am schwersten tun. Vertrauen am Arbeitsplatz ist nämlich keine Selbstverständlichkeit. Ungeschriebene Regeln wie „Vertrauen müssen Neulinge sich erst mal verdienen“ können das Aufkeimen von nachhaltigem Selbstverantwortungsgefühl erschweren. Bedingungen für Vertrauen und diesbezügliche Bewährungsfristen torpedieren im Kern ebenfalls das Konzept Vertrauen. Komisch, denn eigentlich sollte es uns doch unter Erwachsenen leichtfallen, einander zuzutrauen, dass wir die Arbeit, für die wir ausgesucht wurden, dann auch leisten können. Wer sich Vertrauen erst verdienen soll, dem wird Vertrauenswürdigkeit zunächst bis zum Beweis des Gegenteils abgesprochen – dabei könnte es doch genau andersherum sein.
Ein weiterer wichtiger Aspekt gelungener Bindung ist der Wunsch, die Werte des Unternehmens zu teilen. Wir wollen unsererseits ebenfalls darauf vertrauen, dass wir an etwas teilhaben, das zu uns passt, mit dessen Handlungen und Leitsätzen wir uns identifizieren können. Vertrauen sollte in diesen Werten also bestenfalls nicht nur vorkommen, sondern auch spürbar im Unternehmen gelebt werden. Das Verhältnis zur eigenen Führungskraft ist hier ebenfalls oft bedeutsam, da sie im Kontext des einzelnen Mitarbeitenden als Vertreter des Unternehmens agiert. Ein Großteil der Beschäftigten gibt regelmäßig an, das Verhältnis zur eigenen Führungskraft sei maßgeblich für den Wunsch, im Unternehmen zu bleiben. Wie kann aber ein gutes Verhältnis zu jemandem aufgebaut werden, der nur unzureichend (oder gar nicht) Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten vermittelt? Dass Mitarbeitende diese Gratwanderung oft schwierig finden, kann an dieser Stelle nicht überraschen.
Daher: Lieber etwas zu viel vertrauen als etwas zu wenig! In aller Regel danken es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Führungskräften, wenn sie wirkliches Vertrauen zu spüren bekommen. Dazu gehört auch ergebnisunabhängige Wertschätzung zwischendurch und von Anfang an: „Du leistest tolle Arbeit, und wir profitieren sehr von deiner Expertise.“ Darüber hinaus kann Vertrauen auch in Sachen Work-Life-Balance viel bewirken: Von zuhause arbeiten wegen einer Erkältung? – Mach das, du weißt selbst am besten, wie fit du bist – und danke, dass du uns nicht ansteckst! Heute früher gehen, weil ein Kind abgeholt werden muss? – Kein Problem, ich weiß, dass du deine Zeiten fair im Blick hast und dich selbst mit deinen Kolleginnen/Kollegen abstimmst. Du erledigst deine Aufgaben nach deiner eigenen Struktur? – Solange wir auf Zielkurs und im Zeitrahmen bleiben, kontrolliere ich die Detailschritte nicht; du bist schließlich erwachsen und verstehst dein Handwerk. Mitarbeitende, denen in dieser und anderer Weise Eigenverantwortung und Vertrauen zugestanden wird, sind nicht nur produktiver, sondern vor allem auch glücklicher am Arbeitsplatz. Und das Besondere: Bei dieser Bindung entsteht kein Tauschgeschäftsgefühl, was die Bindung freier, freiwilliger und doch tatsächlich noch wirksamer macht. – Glauben Sie nicht? Also bitte, nun vertrauen Sie mir doch einfach mal!

: #besserhier
: Fotos von Pixabay & Pexels (Titelbild von Alyibel Colmenares, erstes Bild von Mizuno K., zweites Bild von Htc Erl)