Agiles Arbeiten, Mobile Office und Work-Life Balance: New Work ist in aller Munde und viele Arbeitnehmer:innen wünschen sich, dass auch nach Corona neue Formen der Arbeit in der Unternehmenskultur verankert bleiben. Doch wie sieht New Work in einem Familienunternehmen aus und wie nimmt es eine Führungskraft aus einem DAX-Konzern und ein Mitarbeiter aus der Start-up Szene, die in den Mittelstand gewechselt sind, wahr? Dazu haben wir mit Philipp Nerbe, Kim-Bojan Sprange und Dirk Schellstede vom Familienunternehmen nerbe plus aus Winsen (Luhe) gesprochen. Viel Spaß beim Lesen!
„Nicht jeder hat das Bedürfnis an einem Stehtisch zu arbeiten“: Geschäftsführer Philipp Nerbe über New Work
Tageslichtdurchflutete Arbeitsplätze, ein Eltern-Kind-Raum mit Spielzeug und Malequipment, Think tanks fürs konzentrierte Arbeiten, Telefonboxen für Privatgespräche, ein Ruheraum fürs Power-Napping sowie eine vollausgestatte Küche: So sieht New Work bei nerbe plus aus!
Philipp Nerbe ist seit März 2004 Geschäftsführer und seit November 2017 alleiniger geschäftsführender Gesellschafter des Familienunternehmens nerbe plus mit seinen 60 Mitarbeiter:innen in Winsen (Luhe). Eine der Hauptfragen, die ihn seitdem beschäftigt hat, lautet: „Wie können wir New Work in einem Familienunternehmen erfolgreich umsetzen, sodass unsere Mitarbeiter:innen gerne bei uns arbeiten und gute Leistung erbringen können?“.
So informierte sich Philip Nerbe darüber, wie andere kleine und mittlere Unternehmen moderne Arbeitsformen wie flexible Arbeitszeiten, Work-Life Balance sowie digitales Zusammenarbeiten umsetzen.
Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn digitales Arbeiten sowie attraktive und gesundheitsfördernde Arbeitsräume sind mit hohen Investitionskosten verbunden. Ein Lösungsansatz? Bedingtes Desk-Sharing! „Wir machen einen gesunden Mix aus flexibler Arbeitswelt innerhalb der Räumlichkeiten“, erläutert Philip Nerbe, „Am Einzelplatz gibt es keine höhenverstellbaren Schreibtische. Aber jeder kann mit oder ohne Laptop und Smartphone innerhalb seiner Abteilung zu einem Steharbeitsplatz gehen oder sich in kleinere Rückzugsräume – wir nennen Sie Think tanks – zurückziehen, um dort konzentriert zu arbeiten.“
Doch was ist, wenn die neu geschaffenen Angebote vom Team gar nicht genutzt werden? Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und tut sich mit Veränderungen schwer. Da spielte der geplante Neubau 2017 Philipp Nerbe in die Karten. Es herrschte Aufbruchstimmung und jeder hatte die Chance, seine Wünsche in den Planungsprozess einzubringen. „Für mich war klar: Das Ganze funktioniert nur, wenn wir das Team von Anfang an in die Entscheidungsprozesse miteinbinden. Natürlich existierten gewisse Leitplanken, um die Steuerung dieses Mammut-Projektes zu gewährleisten. Einen Top-Down Ansatz gab es bei uns jedoch nicht.“
So führte Philipp Nerbe viele Gespräche mit seinen Mitarbeiter:innen, um die individuellen Bedürfnisse an den zukünftigen Arbeitsplatz zu identifizieren. Für den einen Kollegen ist es elementar, seinen festen Sitzplatz zu haben, an den er jeden Morgen geht und das geliebte Familienbild auf dem Schreibtisch vorfindet. Für die andere Kollegin hingegen ist es wichtig, ein Höchstmaß an räumlicher Flexibilität mit Ruhezonen und Steh-Möglichkeiten wahrnehmen zu können. Bei nerbe plus konnte nicht jeder Wunsch für den eigenen Arbeitsplatz erfüllt werden. Aber alle haben die Chance, ihre individuellen Bedürfnisse in den Räumlichkeiten des Neubaus ausleben zu können.
„Ein schönes Beispiel, wie New Work in einem Familienunternehmen gelingen kann, ist bei uns der Ruheraum. Es ist schon ein Running Gag bei uns “, erläutert Philipp Nerbe schmunzelnd, „Um Punkt 12 Uhr kommt unser Lagerleiter Mike und nimmt diesen Raum für sich in Anspruch. Dazu muss man wissen, dass er im vorherigen Gebäude ebenfalls immer um Punkt 12 Uhr seinen Powernap gemacht hat. Keine gute Idee, ihn dabei zu stören… Eigentlich wird der Raum nicht fest gebucht, aber unser Lagerleiter ist jetzt fast genauso lange im Unternehmen wie ich. Der darf das! Das ist ein ungeschriebenes Gesetz.“
Aus der Start-up Szene zu nerbe plus: Kim-Bojan Spranges Perspektive auf New Work in einem Familienunternehmen
Kim-Bojan Sprange ist Ende 20 und seit etwas mehr als einem halben Jahr als Projektassistent bei nerbe plus tätig. Davor war Kim-Bojan in der Hamburger Start-up Szene aktiv. Wenn einer Ahnung von New Work-Ansätzen wie agiles Arbeiten, Work-Life Balance und Desk Sharing hat, dann er. So fragten wir Kim-Bojan, ob es für ihn ein Kulturschock gewesen sei, von der hippen Start-up Szene zu einem mittelständischen Familienunternehmen zu wechseln. „Im Gegenteil: Für mich war es eine positive Überraschung. Bei nerbe plus kann ich genauso mobil arbeiten, wie in einem Hamburger Start-up. Ich habe einen Laptop, es gibt Remote-Arbeitsplätze und ich kann spontan entscheiden, wo und wann ich arbeiten will.“
Es sind allerdings nicht nur die technische Ausstattung sowie die modern designten Räumlichkeiten, die ihn begeistern, sondern auch der Führungsstil. Modernes Arbeiten bedeutet nicht, mit bunten Möbeln, Kicker-Tischen und Obstkörben ein Schlaraffenland ohne einen Anspruch an die Arbeitsqualität zu schaffen. New Work beinhaltet viel mehr. Ziel ist es, Strukturen, Denkmuster und Gewohnheiten zu flexibilisieren. Erst dadurch wird kollaboratives und vernetztes Arbeiten möglich, neues Wissen entsteht und der Wissensaustausch innerhalb und zwischen Teams nimmt zu. „Was mich bei nerbe plus begeistert, ist die Offenheit der Geschäftsführung für neue Ideen und die Möglichkeit, als Team aktiv Dinge mitgestalten zu können“, schwärmt Kim-Bojan, „Das ist für mich der wichtigste Punkt von New Work“.
Es klingt so, als ob New Work in einem Familienunternehmen genauso funktioniert, wie in einem Hamburger Start-up. Oder doch nicht? Welche Unterschiede existieren zwischen der Gründerszene und dem Mittelstand? „Ein Vorteil von kleinen und mittleren Unternehmen, die länger am Markt etabliert sind, ist die geringe Personalfluktuation.“, stellt Kim-Bojan fest. „Bei den Start-ups kommen und gehen die Leute oft, sodass man sich, übertrieben gesagt, manchmal gar nicht die Namen merken braucht. Das finde ich bei nerbe plus wesentlich besser.“
Zudem besitzt die Geschäftsleitung bei Familienunternehmen mehr Führungserfahrung. „Bei dem Start-up waren die Chefs nur drei Jahre älter als ich. Sie sind frisch ins Unternehmen eingestiegen und müssen dementsprechend noch viel lernen. Bei nerbe plus hingegen werden zum Beispiel Ziele deutlich realistischer formuliert.“ erläutert Kim-Bojan. Außerdem war die Erwartungshaltung im Start-up so, dass Überstunden eine Normalität gewesen sind und jeden Tag länger gearbeitet wurde. Bei nerbe plus hingegen ist dies anders. Feierabend wird hier zu den regulären Arbeitszeiten gemacht.
Vom DAX-Konzern zum Mittelstand: Dirk Schellstedes Blick auf New Work bei nerbe plus
Dirk Schellstede ist seit einem Jahr als Chief Operating Officer – kurz COO – bei nerbe plus aktiv. Wie kommt man auf die Idee, nach 15 Jahren Leitungs- und Führungserfahrung bei einem der weltweit größten Luftfahrtunternehmen in den Mittelstand zu wechseln und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Corona-Krise noch nicht absehbar war? „Philipp und ich leben im selben Ort und durch die Freundschaft unserer Kinder kannten wir uns daher privat schon ganz gut. Er hat dann immer ein wenig herumgeflachst „Naja, irgendwann kommst du mal zu uns!“, beantwortet Dirk Schellstede unsere Frage mit einem Lachen. Als nerbe plus seinen Expansionskurs eingeschlagen hat und neue Strukturen im Unternehmen geschaffen werden mussten, war das der perfekte Zeitpunkt für den Einstieg.
Ähnlich wie bei Kim-Bojan war es für Dirk Schellstede kein Kulturschock, bei nerbe plus anzufangen. Im Gegenteil: Er war beeindruckt, viele Strukturelemente aus seiner Konzernzeit wiederzufinden: Fachfunktionen, die sich um gewisse Abläufe kümmern sowie regelmäßige Meetings und klare Kommunikationsprozesse zwischen den Abteilungen.
Dennoch gibt es grundsätzliche Unterschiede zwischen einem global agierenden DAX-Konzern mit 78.000 Mitarbeiter:innen und einem mittelständischen Familienunternehmen mit weniger als 100 Kolleg:innen.
Beispielsweise besitzt nerbe plus weniger Spezialfunktionen. So müssen Mitarbeiter:innen hier auch fachfremde Aufgaben übernehmen. In großen Unternehmen hingegen gibt es Fachteams, auf die die Leitung stets zurückgreifen kann. „Man hat viele Experten im Konzern, aber manchmal muss man sie auch erst finden“ erklärt Dirk Schellstede mit einem Augenzwinkern.
Zudem sind die Entscheidungsprozesse im Mittelstand deutlich schneller, betont Dirk Schellstede. „Ein Konzern ist wie ein Tanker. Wenn man da Veränderungen reinbringen will, dann braucht man ganz viel Geduld. Ich habe die meiste Zeit damit verbracht, Leute von meiner Idee zu überzeugen und Lobbyarbeit zu betreiben… Da braucht man eine gewisse Leidensfähigkeit.“ Das ist bei nerbe plus aus seiner Sicht ganz anders. Hier wird eher nach dem Prinzip „Fail fast“ gearbeitet. „Anders als bei „first time right“, wo ich viele Schleifen drehen und mich stets absichern muss, kann ich bei nerbe plus auch mal neue Dinge schnell anstoßen und umsetzten. Wenn sie nicht funktionieren, dann verwerfen wir sie wieder und das nächste Idee wird getestet. So stelle ich mir agiles Arbeiten vor“, erläutert Dirk Schellstede begeistert.
Was ihm besonders an der Umsetzung von „New Work“ in einem Familienunternehmen gefällt, ist das offene Miteinander und die Kommunikation in alle Richtungen. Es gibt keine Distanz zwischen Geschäftsführung und Team. Und ganz wichtig: Der Spaß kommt nicht zu kurz! So betont Dirk Schellstede verschmitzt: „Ich sage immer: Bei uns DARF gelacht werden.“
Aktuelle Stellenangebote findet ihr jederzeit auf dem YOJO-Arbeitgeberporträt von nerbe plus.
Und weitere Einblicke, wie New Work bei nerbe plus gelebt wird, gibt es auch auf YouTube.
Habt ihr Lust, mehr Geschichten über die Arbeitswelten in kleinen und mittleren Unternehmen zu erfahren? Dann schaut euch doch unsere Blogartikel zu flachen Hierarchien im Handwerk sowie über die Bedeutung des Teams in Familienunternehmen und in Start-ups an.
Fotos: © nerbe plus GmbH & Co. KG