Eine Homepage besitzt mittlerweile fast jeder Handwerksbetrieb in Deutschland. Aber bis zur Corona-Krise nutzten nur 53% der Handwerksbetriebe digitale Technologien und fast jeder zweite Betrieb benötigt Fachkräfte mit Digitalkompetenzen, so lauten die Ergebnisse einer Studie des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und des Digitalverbands Bitkom von 2020.
Ein schönes Best Practice-Beispiel aus der Metropolregion Hamburg ist der Kälteanlagenbauer Strunck & Weis Technik GmbH & Co. KG. Das Unternehmen mit Sitz in Wanna (Landkreis Cuxhaven) zählt zu den bedeutendsten Anbietern von CA/ULO-Kühlräumen für Obst- und Gemüsebauern in Deutschland und auf der ganzen Welt. Hier arbeiten rund 35 Teamplayer fast ausschließlich über iPads und iPhones. In unserem Interview mit dem Geschäftsführer Hauke Weis erfahrt ihr, wie er das digitale Arbeiten in seinem Handwerksbetrieb bereits vor der Corona-Krise eingeführt hat, welche Vorteile er in der Digitalisierung sieht und welche Kompetenzen neue Teammitglieder mitbringen sollten. Viel Spaß beim Lesen.
Herr Weis, Sie haben iPads und iPhones für Ihre Mitarbeiter:innen eingeführt. Erklären Sie doch einmal: Wozu benötigen Monteure:innen, Kältetechniker:innen und Elektriker:innen diese Produkte in ihrem Arbeitsalltag?
Unsere Handwerker:innen nutzen die iPads und iPhones für die Arbeitsplanung und -einteilung, für das Erstellen von Rapportzetteln, fürs Ablegen, Lesen und Übermitteln von technischen Unterlagen oder Plänen; also insgesamt für die Kommunikation untereinander. Im Gegensatz zum Handy hat das iPad den Vorteil, dass es ein kompletter Papierersatz ist. Alles was wir vorher mit Zettel und Stift aufgeschrieben haben, machen wir nun mit dem iPad.
Nutzen Sie und Ihr Team auch Apps im Berufsalltag?
Wir nutzen etliche Apps. Einige sind speziell fürs Handwerk entwickelt worden. Wir probieren auch immer wieder neue aus. Meister-Task finden wir klasse. Das ist so eine Art Aufgabenverwaltung und macht das digitale Arbeiten in Handwerksbetrieben einfacher. Oder ganz neu haben wir Vacationizr für die Urlaubsplanung eingeführt. Außerdem nutzen wir Office 365.
Was sind für Sie die größten Vorteile der Digitalisierung im Handwerk?
Definitiv die schnellere Kommunikation untereinander und die vollständige Weitergabe von Informationen.
Haben Sie dafür ein anschauliches Beispiel, wie digitales Arbeiten in Ihrem Handwerksbetrieb erfolgt?
Unser Rechnungsabteilung nutzt sehr gerne Meister-Task, weil ab und zu eine Material-Nummer bei der Abrechnung fehlt oder der Rechnungstext unklar ist. Dann stellen sie einfach eine Frage in der App, es blinkt beim Mitarbeiter auf und er kann dazu antworten. Und vorher musste man den Mitarbeiter anrufen, dann hatte er die Zettel nicht mehr im Kopf oder weiß es selbst nicht mehr so genau. Manchmal musste man auch warten, bis die Monteure wieder von der Baustelle zurückkamen und dann hat man zusammen draufgeguckt. Oder man ruft auf der Baustelle an und wartet, bis die Kolleg:innen irgendwohin gegangen sind, wo es ruhiger ist. Das hat immer sehr viel Zeit gekostet…
Welche weiteren Prozesse haben Sie aus der analogen Welt 1:1 in die digitale Welt übernommen und wo gab es Veränderungen?
Angefangen haben wir mit den Arbeitsberichten und der Aufgabenverwaltung im Service. Zuerst haben wir die Aufgabenzettel fotografiert und per Handy herumgeschickt. Dadurch sind wir schon schneller geworden. Als wir die iPads hatten, haben wir die Aufgabenzettel komplett digital eingegeben, anstatt sie auf Papier zu schreiben.
Ansonsten ist Rechnungen schreiben erstmal wie vorher, nur halt digital. Die Materialeinbuchung klappt ebenfalls zu 100% digital.
Die Umstellung auf die digitale Zeiterfassung beim Stundenaufschreiben hat ebenfalls vieles verändert. Früher mussten wir die Zeiten selbst einpflegen und nun läuft das komplett automatisiert.
Merken Sie, dass Sie durch das digitale Arbeiten Zeit einsparen oder Kosten senken konnten?
Die Zeitersparnis können wir nicht 1:1 messen. Aber so wie wir jetzt arbeiten, würde das nicht ohne die Cloud-Services und die iPads funktionieren. Allein die ganze Kommunikation ist jetzt schneller und effizienter geworden.
Wie hoch waren die Anschaffungskosten?
Für 18 iPads haben wir insgesamt 17.000 € bezahlt. Allerdings haben wir eine Förderung in Höhe von 50 % bekommen. Für die iPhones haben wir dann auch nochmal 20.000 € bezahlt. Der Rest sind dann laufende Kosten für die Cloud-Dienste und Schulungen. Das hält sich aber in Grenzen. Die Zeitersparnis wiegt das allerdings mehr als auf!
Wie kamen Sie auf die Idee, die Digitalisierung in Ihrem Unternehmen voranzutreiben?
Es war ein ureigenes Interesse: Ich arbeite selbst seit jeher mit digitalen Hilfsmitteln und schätze effiziente Arbeitsmethoden. Durch die Digitalisierung erschaffe ich mir einen besseren Überblick und Freiräume, um unsere Arbeitszeit sinnvoll nutzen zu können.
Wann haben Sie angefangen, digitales Arbeiten in Ihrem Handwerksbetrieb zu fördern?
Die mobile Zeiterfassung nutzen wir seit fast zehn Jahren. Einen richtig großen Schritt hin zur Digitalisierung haben wir im Januar 2020 gemacht, als wir unser Team mit Hilfe eines Digitalisierungsexperten auf den Umgang mit iPads und Clouddiensten geschult haben.
Wollten die Mitarbeiter von Anfang an digital arbeiten oder gab es auch Widerstände?
Beides. Es gab viele Mitarbeiter:innen, die sich darauf gefreut haben und das Projekt sogar vorangetrieben haben. Einigen fiel die Umstellung jedoch schwerer.
Aber größtenteils haben wir Leute im Team, die affin sind. Sonst wäre das auch nicht so schnell gegangen.
Die Umstellung auf digitales Arbeiten fällt häufig älteren Mitarbeiter:innen schwerer als den Digitale Natives. Dennoch hat sich das ganze Team auf Ihr Projekt eingelassen. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Wichtig ist es, den Leuten einen Nutzen zu vermitteln und zu zeigen, wo es für sie im Berufsalltag ganz konkret Erleichterung verschafft. Dann entwickeln auch die Älteren ein Verständnis dafür. Außerdem haben wir am Anfang den Lehrgang gemacht, um alle Mitarbeiter:innen ins Boot zu holen. Dadurch lernten alle nochmal die Basics von der Pike auf. Das hat vielen geholfen und gerade die Älteren haben sich nicht alleingelassen gefühlt.
Wie lange hat die Umstellung bei den Mitarbeiter:innen gedauert?
Wir sind noch mitten in der Umstellung. Aber die Basics funktionierten nach einem halben Jahr ziemlich gut und jetzt merkt man, dass ein paar Details noch nicht laufen. Da müssen wir natürlich nachbessern. Die Digitalisierung ist allerdings auch ein kontinuierlicher Prozess und es verändern sich ständig Prozesse. Auf dem Erreichten können wir nun aufbauen und unsere Abläufe nach und nach verbessern.
Inwiefern ist das digitale Arbeiten in Ihrem Handwerksbetrieb ein Pluspunkt im Wettbewerb um Fachkräfte?
Wichtig ist das Signal, das von unseren Digitalisierungsprozessen ausgeht. Seht her: Wir sind kein Riesenunternehmen, aber wir gehen mit der Zeit und stellen uns den digitalen Herausforderungen. Und es hinterlässt auch auf der Baustelle oder beim Kunden einen guten Eindruck, wenn du da mit dem iPad arbeitest anstatt mit dem Klemmbrett unterm Arm. Das hat schon eine gewisse Ausstrahlung.
Welche digitalen Kompetenzen benötigen neue Mitarbeiter:innen, wenn sie bei Ihnen arbeiten wollen?
Die Büromitarbeiter:innen müssen mit Office-Produkten umgehen können. Bewerber:innen sollten grundsätzlich ein Interesse für die Digitalisierung mitbringen, alles kann bei uns erlernt werden. Im Grunde muss ich mit dem Handy und dem iPad umgehen können. Wir geben die aus und jeder darf sie auch privat nutzen, wodurch unsere Mitarbeiter:innen sich auf spielerisch Art die Kompetenzen aneignen können. Die üblichen Punkte sind das Schreiben auf dem iPad und zu wissen, wie man Dateien hin- und herschickt. Das kann jeder relativ schnell lernen. Man muss kein EDV-Profi sein.
Ihr Firmensitz befindet sich aufm platten Land und viele Ihrer Mitarbeiter:innen sind in der Fläche unterwegs. Wie wichtig ist eine gute Netzabdeckung für die tägliche Arbeit?
Das ist definitiv ein Problem. Für unser Team haben wir die Internet-Verträge mit einem größeren Datenvolumen aufgestockt und dafür brauchen wir eine vernünftige Internetverbindung. Glasfaser haben wir nicht, aber immerhin schon eine 50.000er Leitung für die ganze Firma. Aber selbst das ist knapp, wenn alle hier im Netz sind und Dateien hoch- und herunterladen.
Bitte vervollständigen Sie den folgenden Satz: 5G für den ländlichen Raum…
Wäre ein Traum! Aber wir wären schon froh, wenn wir eine Glasfaserverbindung bekämen. Das würde uns erst einmal ausreichen.
Herr Weis, vielen Dank für die interessanten Einblicke in Ihr Unternehmen!
Aktuelle Stellenangebote findet ihr auf dem YOJO-Arbeitgeberporträt von Strunck & Weis.
Ihr wollt mehr attraktive Arbeitgeber kennenlernen? Im Beitrag „Hidden Champions“ erfahrt ihr mehr über die Weltmarktführer aus dem Landkreis Cuxhaven.
Wie es ist als Rückkehrer:innen- und Zuzügler:innen im Landkreis Cuxhaven zu arbeiten, erfahrt in diesen Beiträgen: Gehr GmbH: Zuzügler und Rückkehrer und Kaesler Nutrition – Ein Hidden Champion für Rückkehrer & Zuzügler.